Geschichten und Nostalgie

Der "Schlachthof" feiert Engerling



Eisenach. Die Berliner Band "Engerling" im Eisenacher "Schlachthof" - nur eine Station von vielen, aber eine die passte. Bassist Manne Pokrant, seit 1986 dabei und ein Kantholz mit weichem Kern, war zufrieden. Es war 'ne gute Mugge, sagt er. Die Leute, vielleicht 200 Leute, o.K.. Die gestandene Band hat im 31. Jahr ihres Bestehens immer noch einen Blick (auch aus dem Scheinwerferlicht heraus) für die Hauptsache - ihr Publikum.


Natürlich kamen vor allem die Treuen in den aufgeheizten Schlachthof, jene im Jeans-Stoff und den Erinnerungen an "damals-weißt-du-noch". Aber nicht nur diese, auch junges Volk, das sich in Eisenach gerne und fast so wild wie die Veteranen auf die Musik der Blues und Rock-Jurasics einließ. Und für dieses Publikum spielt sich Engerling seit Jahrzehnten den Arsch ab. Wer sich zu DDR-Zeiten aus Prinzip mehr oder weniger der Ost-Musik verweigerte, dem verschaffen die 1975 gegründeten Engerlinge überdies ein Aha-Erlebnis. Auch für viele im Eisenacher Publikum war der Griff in diese fetzige Mottekiste alles andere als einer ins Klo. Überdies zeigte sich Engerling musikalisch unbedingt auch von der aktuellen Seite. Viele verbindet die Band - in Erinnerung an Kulturhäuser, Pfeffi und ,Komodenlack'.


Als der "Engerlings Blues" zum Auftakt im Schlachthof ertönt, war es bei vielen schlagartig da - das 78-er-Gefühl, dieser Schauer aus Nostalgie und uriger Musik, die Freude über etwas in Vergessenheit geratenes. Anfangs hieß die Band noch Engerling Blues Band,aber eine reine Bluesband war Engerling nie. Dazu ist der geniale Wolfram Bodag(Gesang/Keyboard) zu vielseitig interessiert, aber die Verbindung zum Blues hat Engerling nie verloren. Gitarrist Heiner Witte, Ur-Engerling und im Schlachthof noch vornehm zurückhaltend, Manne Pokrandt (bg) und der 26-jährige Hannes Schulze (dr) sind niemals nur Bodags Steigbügelhalter,wenngleich der Leader der Band klar definiert ist.


Im Gewand musikalischer Ausgefeiltheit, Ausgelassenheit oder Nachdenklichkeit verpackt sind Bodags Lieder immer Dokumentation der Zeit und der Gefühle. Im Live-Auftritt gingen Boddis sinnhafte Geschichten meist im Schlachthof-Getümmel unter. Dafür inhalierten die Fans den Rhythmus tief. Um so lohnenswerter ist das Nachhören am CD-Player (am besten mit der Fünfer-Box) oder Plattenspieler.


"War das nicht 'ne herrliche Zeit? Jeder war zum Aufruhr bereit...", heißt es im Engerling-Herbstlied, neben Veronika Fischers "Es war ein Land" eines der schönsten Wendelieder. Es war 'ne schöne Zeit mit Engerling im Schlachthof. Etwas zu kurz vielleicht. J. Zlotowicz


Thüringische Landeszeitung,
Lokalausgabe Eisenach, 7.November 2006, Seite 3
Fotos: Jensen Zlotowicz / Eisenach




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